Kopf­schmerzen

Akutbehandlung von Migräne

Akute Migräne: Frau mit Hase
Akute Migräne Expertin Silke Biethahn

DR. SILKE BIETHAHN
Fachärztin für Neurologie
Hirslanden Klinik Aarau und Standortleiterin des Neurozentrum Aarau

Eine akute Migräne ist für Betroffene sehr belastend. Wie man sie am Besten behandelt, welche Fortschritte es in den letzten Jahren gab und weshalb eine individuelle Therapie wichtig ist, erklärt uns die Neurologin Dr. Biethahn.

Wie erleben Betroffene eine akute Migräne?

Dr. Silke Biethahn: Die akute Migräne geht weit über einfache Kopfschmerzen hinaus, die beispielsweise durch Flüssigkeitsmangel oder Sonneneinstrahlung verursacht werden. Betroffene erleben oft Konzentrationsprobleme, eine allgemein vermehrte Empfindlichkeit und eine verringerte Belastbarkeit, was für viele Betroffene ähnlich störend ist wie der Kopfschmerz an sich. Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit sind weitere Symptome.

 

Welche Möglichkeiten gibt es zur Akutbehandlung von Migräne?

Dr. Biethahn: Einerseits gibt es normale Schmerzmittel, die bei leichteren Migräneformen helfen können, insbesondere wenn sie frühzeitig und in ausreichender Dosierung eingenommen werden. Andererseits gibt es spezifische Migräneschmerzmittel, sogenannte Triptane, die auch in späteren Migränestadien wirksam sein können.

Es besteht bei Migränepatient*innen mit hoher Attackenfrequenz jedoch die Gefahr, dass sie so häufig Schmerzmittel einnehmen, dass sich das Gehirn an die Schmerzmittel gewöhnt, was wiederum Kopfschmerzen hervorruft. Das führt zu einem Teufelskreis, der bereits eintreten kann, wenn man über längere Zeit an 8 – 10 Tagen pro Monat Schmerzmittel einnimmt. Daher ist bei häufig auftretendem Kopfschmerz auch eine vorbeugende Therapie erforderlich, um die Häufigkeit des Auftretens von Kopfschmerzen und die damit verbundene Schmerzmitteleinnahme zu reduzieren.

 

Gibt es neue Behandlungsmöglichkeiten, die über die klassischen Schmerzmittel hinaus gehen?

Dr. Biethahn: Es gibt viele Möglichkeiten vor allem bei der Migräneprophylaxe. Primär handelt es sich dabei um Medikamente, die ursprünglich gegen Depressionen, Epilepsie oder hohen Blutdruck entwickelt wurden, die auch bei Migräne helfen können. Magnesium, Vitamin B2 und Coenzym Q10 in hoher Dosierung sind ebenfalls wirksam. Bei chronischer Migräne kann eine Behandlung mit Muskelrelaxanzien wirksam sein, die Injektionen sind allerdings recht schmerzhaft. Eine recht neue Entwicklung sind die CGRP-Antagonisten, die einen Schmerzbotenstoff im Gehirn blockieren. Sie werden entweder monatlich oder alle drei Monate verabreicht. Allerdings sind sie recht teuer und sind daher Patient*innen mit sehr häufiger Migräne vorbehalten, die auf andere Medikamente nicht angesprochen haben. Viele Patient*innen berichten von einer erheblichen Verbesserung ihrer Lebensqualität durch die neuen Therapien.

 

Welche nicht-medikamentösen Ansätze können bei der Akutbehandlung von Migräneattacken unterstützend wirken?

Leider gibt es nicht viele komplementärmedizinische Optionen für die Akutbehandlung der Migräne. Daher empfehle ich den Patient*innen, schnell Schmerzmittel einzunehmen. Es gibt jedoch verschiedene nicht-medikamentöse Ansätze zur Vorbeugung von Migräne. In einigen Leitlinien wird beispielsweise Akupunktur als prophylaktische Massnahme empfohlen. Es gibt auch ein sogenanntes TENS-Gerät, das durch elektrische Stimulation eines Nervs über den Augenbrauen die Migräne reduziert. Diese vorbeugende Therapie kann auch als Akutbehandlung helfen.

 

Werden die Behandlungsmöglichkeiten individuell an die Patient*innen angepasst?

Dr. Biethahn: Tatasächlich gibt es keine für alle Betroffenen passenden Standardverfahren, Wir berücksichtigen immer die Lebensumstände, Bedürfnisse und Persönlichkeit unserer Patient*innen. Das Erstgespräch dauert deswegen etwa eine Stunde, um das Gesamtbild zu erfassen und die individuell beste Lösung zu finden.

Journalistin: Sandra Huber
Datum: 03.08.2023