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«Beim Salsatanzen gibt es keine Schmerzen»

Markus hat nicht nur Colitis Ulcerosa, sondern auch Epilepsie und einen Herzschrittmacher. Wenn er zu lateinamerikanischer Musik tanzt, beim Pilates seine Muskulatur trainiert und draussen in Bewegung ist, tankt er Kraft und vergisst seine Schmerzen.

Markus sagt: «Wenn ich mit meiner Frau Salsa tanze, sind wir in einer anderen Welt. Es gibt nur die Musik und uns. Schmerzen oder Krankheiten sind dann weit weg». Der 55-Jährige ist leidenschaftlicher Tänzer und von der Darmkrankheit Colitis Ulcerosa betroffen. Schmerzen gehören seit 31 Jahren zu seinem Leben – davon unterkriegen lässt er sich nicht. «Meine Krankheiten sind Teil meines Lebens, daran zerbrechen bringt nichts. Ich akzeptiere sie und versuche, das Beste daraus zu machen – das gelingt meist ganz gut», sagt er. Neben seiner Darmkrankheit hat der gelernte Schreiner noch Epilepsie und einen Herzschrittmacher.

 

Zweifel am Schmerz

Wie aus dem Nichts traf ihn 1992 die Colitis Ulcerosa. «Ich hatte plötzlich unerträgliche, stechende Bauchschmerzen, Durchfall und Blut im Stuhl. Ich habe mich nur noch gekrümmt vor Schmerz», erinnert er sich. Eine Darmspiegelung brachte die Diagnose. Da sei einerseits Erleichterung gewesen, zugleich hätten ihm aber dringend benötigte Informationen gefehlt. «Ich bekam Medikamente und einen Flyer in die Hand gedrückt und das wars», so Markus. Das Internet war damals noch wenig verbreitet, Markus fühlte sich mit seiner Krankheit allein gelassen. Einerseits waren die spärlichen Informationen ein Problem und andererseits musste er feststellen, dass Schmerzen gesellschaftlich wenig anerkannt sind. Die Sensibilisierung fehlt. So bekam er von seinen Vorgesetzten immer wieder zu hören: «Du kommst wegen Bauchmerzen und Durchfall nicht zur Arbeit? Stell dich nicht so an!» Er habe sich unverstanden gefühlt und so manches Mal an sich und seinen Schmerzen gezweifelt. War das Stechen im Bauch tatsächlich die Colitis oder doch etwa Einbildung? «Ich habe die Zähne zusammengebissen und versucht zu funktionieren. Aber die Schmerzen waren da und meine Zweifel, das weiss ich heute, unberechtigt», erzählt Markus.

 

Die Angst vor dem nächsten Schub

Dank Medikamenten ist ein Colitis Schub meist nach wenigen Wochen vorüber. Was bleibt ist die Verunsicherung und die Angst vor dem nächsten Schub. So kann Stress etwa ein Auslöser sein, dass sich der Darm wieder entzündet. Erste Anzeichen sind bei Markus meist Blut,- und Schleimbeimengungen im Stuhl. «Dann weiss ich, dass etwas im Anmarsch ist und ich aufpassen muss, dass ich nicht in eine Abwärtsspirale gerate». Denn, plötzlich spüre er jedes Zwicken im Bauch, was ihn enorm belaste und an die Substanz gehe. Stress wiederum wirkt sich negativ auf die Colitis aus und es kann ein fataler Teufelskreis entstehen. «Ich habe gelernt auf meinen Körper zu hören und weiss inzwischen ganz gut, wie ich der Abwärtsspirale entkommen kann.» Stressreduktion und Bewegung gehören dazu.

«Ich habe gelernt auf meinen Körper zu hören und weiss inzwischen ganz gut, wie ich der Abwärtsspirale entkommen kann.»

Markus

«Der Stuhldrang ist eine starke Einschränkung»

Belastend und einschränkend ist für Markus auch der starke Stuhldrang. Ohne zu wissen, wo die nächste Toilette ist, und ohne eine Tasche mit Ersatzkleidern, geht er nicht aus dem Haus. «Es ist ein leidiges Thema und ich bin ungewollt zum WC-Experten mutiert», lacht er. Dank einer App weiss er jeweils, wo sich das nächste «stille Örtchen» befindet, zugleich sind Colitis-Patienten berechtigt, einen Schlüssel für die Behinderten-Toiletten zu beziehen. Trotz dieser Erleichterung vermisst Markus Spontanität. «Ein spontaner Konzertbesuch, ohne vorher die WC-Situation gecheckt zu haben, liegt zum Beispiel nicht drin».

 

Bewegung lenkt Markus ab

Vom Stuhldrang kann sich Markus nicht ablenken, vom Schmerz hingegen schon. Er hat Strategien gefunden, die ihm helfen, mit dem Schmerz umzugehen und ihn zu verdrängen. «Es kommt natürlich auf die Schmerzintensität an. Bei sehr starken Schmerzschüben hilft nur Hinlegen, Nichts-Tun, Tee trinken und eine Wärmflasche», sagt Markus. Ist die Schmerzintensität hingegen erträglich, helfe ihm vorallem Bewegung. So geht er wöchentlich gemeinsam mit seiner Frau ins Pilates, trainiert seine Muskulatur und findet Entspannung. Seine wahre Leidenschaft gilt aber dem Salsatanzen. «Höre ich lateinamerikanische Musik und tanze ich mit meiner Frau Salsa, bin ich in einer anderen Welt. Die Schmerzen sind dann weit weg», so Markus.

 

«Ohne positive Einstellung wird es schwierig»

Zugleich hilft es ihm, eine positive Einstellung gegenüber seinen Krankheiten zu haben und diese als Teil seines Lebens zu akzeptieren. Denn, als ob eine Colitis Ulcerosa und ein Herzschrittmacher noch nicht genug wären, traf Markus 2020, mitten in der Pandemie, ein nächster Schlag. Die Diagnose Epilepsie. «Ich nehme mein Leben normalerweise locker und bin positiv – aber das war zuviel. Ich stürzte in eine Depression und musste mich behandeln lassen», erzählt Markus. Er nahm die Krise zum Anlass, um seinen Job zu wechseln und von Beginn weg offen über seine Krankheit zu kommunizieren. Dafür erntet er viel Verständnis und Unterstützung. «Letztlich bin ich an dieser Grenzerfahrung gewachsen und heute stärker denn je», sagt er. Welche Tipps hat er für andere Betroffene? «Mir hilft der Austausch mit Gleichgesinnten etwa auf Facebook. Das kann ich nur empfehlen! Sich möglichst viele Informationen holen und Fragen, Fragen Fragen!»

Von CED Patienten, für CED Patienten

Crohn Colitis Schweiz ist die Patientenorganisation für Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Auf ihrer Webseite finden sich umfassende Informationen zu CED und zum Umgang mit der Erkrankung. Mitglieder profitieren von persönlichem Coaching, können Fragen an Ärzte stellen, erhalten Ernährungs- und Rechtsberatung. Ihr Zweck ist es, das Los der an Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa Erkrankten zu lindern, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, und damit dem Einzelnen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

Nebst kompetenter ärztlicher Hilfe ist der Austausch mit anderen Erkrankten entscheidend, um die Krankheit zu akzeptieren und Probleme zu bewältigen. Der gemeinsame Dialog und die Solidarität untereinander geben Kraft.

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Datum: 03.08.2023