Kopf­schmerzen

Migräne in den Griff bekommen

Migräne Therapie: Zwei Männer umarmen sich
Migräne Therapie Expertin Susanne Wegener

Prof. Susanne Wegener
Leitende Ärztin Klinik für Neurologie
Universitätsspital Zürich 

Sind Kopfschmerzen wiederkehrend und einschränkend, ist ärztlicher Rat wichtig. Es könnte sich um eine Migräne handeln. Mit gezielten Massnahmen oder mit sehr wirksamen Medikamenten, beispielsweise den neuartigen CGRP-Hemmern, können Attacken sehr gut vorgebeugt werden.

Prof. Wegener, welche Arten von Migräne gibt es und was sind häufige Ursachen?

Prof. Susanne Wegener: Es gibt Migräne mit und ohne Aura. Eine Migräne-Aura ist eine anfallsartige neurologische Störung, die sich häufig in Sehbeschwerden äußert.

 In etwa 75% der Migräne-Patient*innen tritt die Migräne ohne Aura auf. Seltenere Formen sind die »Migraine sans Migraine», dies bedeutet eine Aura, aber ohne Kopfschmerzen, und die vestibuläre Migräne mit Schwindelattacken. Man unterscheidet ausserdem die chronische Migräne und die episodische Migräne. Als chronisch gilt eine Migräne, wenn sie mindestens drei Monate in Folge an 15 oder mehr Tagen auftritt.  

 

Wie unterscheidet sich eine Migräne von allgemeinen Kopfschmerzen?

Prof. Wegener: Die Migräne hat sehr typische Eigenschaften: Eher einseitige Kopfschmerzen, oft pulsierend und meist stark von der Intensität. Die Attacke dauert in der Regel ein paar Stunden und kann mit oder ohne vorhergehende Aura auftreten. Ganz charakteristisch ist die Verschlimmerung durch körperliche Aktivität. Dies bedeutet, dass sich Betroffene eher zurückziehen, hinlegen. Auch typisch sind eine Empfindlichkeit vor Licht und Lärm sowie Übelkeit und Erbrechen. Nicht immer müssen alle diese Symptome gleichzeitig vorhanden sein. Oft ist die Migräne an die Mens gekoppelt. All das führt zu den für die Migräne bekannten Auslösefaktoren, den sogenannten Triggern: Licht und Lärm, bestimmte Lebensmittel, üppige Mahlzeiten, Stoffwechselfaktoren, Hormone, Stress, Schlafmangel, unregelmässige Bettzeiten, z.B. Ausschlafen an freien Tagen. Oft sehen wir auch, dass die Migräne innerhalb einer Familie bei mehreren Generationen auftritt, häufiger bei Frauen.

Migräne Therapie: Zwei Männer sprechen

Wann muss ich mit meiner Migräne zum Arzt/Ärztin?

Prof. Wegener: Sobald Kopfschmerzen häufig wiederkehren und einschränkend sind, ist eine ärztliche Konsultation ratsam. Dies soll nicht erst aus Angst vor einer schlimmen Erkrankung geschehen, sondern um der Migräne mit der richtigen Beratung frühzeitig vorbeugen oder sie richtig behandeln zu können. Ich sehe oft auch junge Menschen, die schon Jahre an einer Migräne leiden und nicht richtig behandelt wurden. Sie verpassen dann viele Dinge im Alltag. Weil es ein grosses Gesundheitsproblem ist, plädiere ich dafür, dass schon frühzeitig ärztliche Hilfe beansprucht wird.

 

Kann einer Migräne vorgebeugt werden und wie?

Prof. Wegener: Vorbeugen bei der Migräne heisst immer schon behandeln! Wir unterscheiden die Therapie während einer Attacke von der ebenfalls wichtigen Basisbehandlung, d.h. der Vorbeugung. Die Basisbehandlung beinhaltet nicht- medikamentöse Massnahmen, wird jedoch bei Bedarf von Medikamenten ergänzt. Wichtig sind ein regelmässiger, stressreduzierter Lebensstil sowie die Vermeidung von bekannten Triggern. Bewegung und Entspannung müssen gleichermassen in den Alltag eingebaut werden. Sehr effektiv ist regelmässiger moderater Ausdauersport, z.B. 3x wöchentlich zügiges Gehen während 45 Minuten, Schwimmen oder Radfahren. In bestimmten Fällen wird ergänzend eine psychologische Beratung eingesetzt.

Wichtig sind ein regelmässiger, stressreduzierter Lebensstil sowie die Vermeidung von bekannten Triggern.

Prof. Susanne Wegener

Welche medikamentösen Vorbeugemassnahmen gibt es bei Migräne?

Prof. Wegener: Bei der medikamentösen Vorbeugung sind unterschiedliche Medikamente je nach Patient*in und Eignung im Einsatz: Zuvorderst stehen natürliche Medikamente wie Magnesium und Vitamin B2.

Weiter kommen in Frage: Blutdrucksenker, krampflösende Mittel, Antidepressiva, und andere. Seit einiger Zeit sind die CGRP-Hemmer im Einsatz. CGRP steht für «Calcitonin Gene-Related Peptide». Dabei handelt es sich um ein Protein, das aus Nervenzellen freigesetzt wird und das an der Entzündungsreaktion bei Migräne beteiligt ist. Die CGRP-Hemmer blockieren dieses Protein. Sie können beispielsweise mit einem kleinen Pen einmal monatlich oder alle drei Monate selbstständig injiziert werden. Neu sind sie auch als Infusionstherapie auf dem Markt. Diese Präparate sind äusserst wirksam. Da sie sehr teuer sind werden sie nicht an erster Stelle verschrieben, sondern erst, wenn andere Massnahmen nicht geholfen hatten.

 

Wie werden sich die Therapien in den kommenden Jahren verändern?

Prof. Wegener: Heilbar ist die Migräne nicht. Doch neue Medikamente und nicht-medikamentöse Massnahmen verändern die Behandlungsaussichten. Darum soll bei chronischen Kopfschmerzen eine ärztliche Konsultation erfolgen.

 

Wie hat die Kopfschmerztherapie bei Ihrer Patientin Monique Vermue ausgesehen?

Prof. Wegener: Diese Patientin hatte eine hartnäckige Migräne, die nicht gut auf verschiedene Therapien ansprach. Sie hat einen CGRP-Hemmer erhalten und sehr gut darauf angesprochen. Bei bis zu 10 Attacken monatlich sind die Anfälle praktisch ohne Nebenwirkungen stark zurückgegangen, einfach grossartig. Damit ist sie kein Einzelfall.

Der Erfahrungsbericht von Monique findet sich hier: 

Migräne Erfahrungsbericht

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 13.07.2022