Rücken­schmerzen

«Der Schmerz hat mich zu einem anderen Menschen gemacht»

Neuromodulation Erfahrungsbericht Marco Nagel

Jahrelang ignorierte Marco seine wiederkehrenden Rückenschmerzen. Bis zu dem Moment, als der Schmerz sein Leben einnahm. Nach jahrelangem Leiden hat ihm die Neuromodulation neue Lebensqualität geschenkt.

«Der Schmerz hatte mir alle Lebensqualität und alle Freude genommen. Er hat mich zu einem anderen Menschen gemacht», sagt der 66-jährige Marco. Noch immer treibt es ihm die Tränen in die Augen, wenn er an die schlimmsten Jahre seines Lebens denkt. Als leidenschaftlicher Liebhaber von alten Autos hat er früher viele Stunden in sein Hobby, dem «Autoschrauben» gesteckt. Eine Leidenschaft, die ihm der Schmerz genommen hat.

 

«Lasst Beschwerden rechtzeitig abklären!»

Marco Leidensweg begann vor über zehn Jahren mit immer wiederkehrenden Rückenschmerzen: «Ich nahm meine Beschwerden anfänglich nicht ernst, schliesslich hatten Rückenbeschwerden in unserer Familie Tradition.» Viel zu lange habe er den «Kopf in den Sand gesteckt», anstelle der Ursache seiner Beschwerden auf den Grund zu gehen. «Mein Tipp an alle, die Schmerzen haben: kümmert euch rechtzeitig um eure Gesundheit und lasst Beschwerden abklären!» Er selbst habe einfach weitergearbeitet, die zunehmenden Schmerzen ignoriert und sich damit getröstet, dass es schon irgendwann besser werden würde. Bis zu diesem fatalen Tag im Frühling 2010. Eine falsche Bewegung bei der Arbeit und das Schicksal nahm seinen Lauf: «Ein extremer Schmerz durchzog meinen Rücken, ich hatte Lähmungserscheinungen in meinen Beinen, konnte nicht mehr gehen, der Schmerz zerriss mich.» Trotz seiner schweren Symptome fühlte er sich von den Ärzten anfänglich nicht ernst genommen; immer wieder hiess es, dass es so schlimm nicht sein könne. Bis zu jenem Moment, als die Röntgenbilder bei einem befreundeten Arzt vom Unispital Zürich landeten. Diagnose: sieben Diskushernien; Marco musste umgehend operiert werden. Die Operation verlief zwar erfolgreich, die Nervenschmerzen aber blieben und weitere Operationen folgten.

Neuromodulation Erfahrungsbericht Marco Nagel

Alles drehte sich um den Schmerz

Jeder Tag war fortan von heftigsten, zermürbenden Schmerzen geprägt. «Alles dreht sich um den Schmerz. Tag und Nacht», erinnert sich Marco. Und das nicht nur bei ihm, sondern auch bei seiner Frau. Auch sie litt jahrelang unter chronischen, schwersten Rückenschmerzen. «Bevor ich selbst davon betroffen war, konnte ich nicht nachvollziehen was Schmerz bedeutet. Nun wusste ich es», sagt Marco. Seine Frau und er wurden zu Verbündeten auch im Schmerz – jeder wusste, was im anderen vorging. Die Tage konnte er nur mit der Einnahme von Opiaten überstehen, und auch damit war der Schmerz nicht weg. Dazu kamen die schweren Nebenwirkungen: «Ich war immer leicht benommen, müde, konnte im Alltag nicht funktionieren. Arbeiten war schon lange nicht mehr möglich.» Die Anmeldung bei der Invalidenversicherung IV sei ein weiteres zermürbendes Kapitel, mit dem er ein ganzes Buch füllen könne, sagt Marco. Hätte er nicht einen so kulanten Arbeitgeber gehabt, die Schmerzen hätten ihn auch finanziell ruiniert.

 

Neuer Lebensmut dank Neurostimulation

2014 dann endlich ein Lichtblick. Marcos Arzt berichtete ihm von der sogenannten Neuromodulation, einem Verfahren, bei dem zur Schmerzlinderung elektrischer Strom eingesetzt wird. «Ich musste nicht zweimal überlegen, für mich machte das Verfahren absolut Sinn.»

In der Folge liess er sich eine Sonde in der Wirbelsäule implantieren, mittels einer externen Fernbedienung kann er den elektrischen Strom selbst regulieren. «Es wirkte von Beginn weg wie ein Wunder – der Schmerz war zwar nicht weg, aber erträglich.» Ein Zustand, den Marco schon lange nicht mehr kannte. Nebenwirkungen hat das Verfahren keine, er spürt lediglich ein leichtes, elektrisierendes Kribbeln im Rücken, das er aber als angenehm empfindet. «Meine Lebensqualität kehrte langsam wieder zurück, auch wenn ich noch immer auf Opiate angewiesen war.» Nach einer weiteren Rückenoperation, bei der ihm eine metallische Bandscheibe eingesetzt und der Rücken «versteift» wurde, konnte er nun vollständig die Opiate absetzen. «Von heute auf morgen», wie Marco betont.

 

Auch wenn er im Alltag durch seinen steifen Rücken stark eingeschränkt ist, sagt er: «das ist alles erträglich im Vergleich zu den Schmerzen, die ich vorher hatte». Marco blickt optimistisch in die Zukunft: «Eigentlich wollten meine Frau und ich nach Norddeutschland auswandern. Die frische Brise, das Meer und die ganze Mentalität hatten es uns angetan. Leider ist sie im vergangenen Jahr überraschend nach einer Rückenoperation verstorben.» Trotz diesem schweren Schicksalsschlag möchte sich Marco seinen Traum vom Norden erfüllen, er träumt davon, wieder an seinen Autos schrauben zu können und widmet sich mit Hingabe seiner Computerleidenschaft. «Das Leben hat mich wieder», sagt er mit einem Augenzwinkern.

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 13.07.2022