Chronische Schmerzen

Patient Empower­ment – es braucht Mut, aber es lohnt sich!

Ehepaar in der Küche am tanzen

Chronische Schmerzen sind vielfältig und tückisch, schränken die Lebensqualität ein und können ein Gefühl der Hilflosigkeit hinterlassen. Aber: es gibt Behandlungsmöglichkeiten und es lohnt sich, dafür zu kämpfen!

Ein oft jahrelanger Ärztemarathon liegt hinter viele Schmerzpatient*innen und damit verbunden die quälende Frage: «Bilde ich mir das alles nur ein?» Viele Patient*innen berichten in diesem Zusammenhang vom Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, sie müssen sich immer wieder für ihre Schmerzen rechtfertigen und werden nicht selten als Hypochonder abgestempelt. Dabei sind chronische Schmerzen keine Seltenheit: In der Schweiz sind rund 1.5 Millionen Menschen davon betroffen, Frauen häufiger als Männer. Die Schmerzen an sich sind eine immense Belastung, viele der Schmerzpatient*innen leben viele Jahre damit (durchschnittlich 7.7 Jahre), manche gar Jahrzehnte, ohne, dass eine Ursache gefunden wird. Die Medizin? Ratlos. Das Umfeld? Genervt. Man selbst? Verzweifelt. 

40 Prozent der Patient*innen geben an, dass ihr Arzt ihre Schmerzen nicht als echtes Problem ansah.

«Das schlimmste an meinen Schmerzattacken war das Gefühl, dass sie mein Leben übernommen hatten und ich dem machtlos gegenüberstand. Ich war die Gefangene meiner Schmerzen», beschreibt es eine Patientin. Wie sehr habe sie sich eine Diagnose, einen Namen für ihr Leiden gewünscht, denn: «Wer keinen Namen für seine Krankheit hat, ist auch nicht krank.» In einer Umfrage gaben 40 Prozent der Patient*innen an, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin ihre Schmerzen nicht als echtes Problem ansah. Vielmehr hören die Patient*innen dann Sätze wie: Das sind nur die Wechseljahre. Oder: Das ist der Stress, Sie sind einfach überlastet. Nehmen Sie sich ein paar Tage Urlaub, dann kommt das schon gut.

 

Gender Health Gap – Frauen werden weniger ernst genommen

«Meine wiederkehrenden Schmerzen wurden belächelt und einfach als Frauenleiden abgestempelt», berichtet eine Kopfschmerzpatientin. Tatsächlich werden Frauen mit ihrer Schmerzgeschichte häufiger nicht ernst genommen als Männer, man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Gender Health Gap. So zeigt sich, dass Frauen länger in der Notaufnahme warten müssen und bei ihnen eher psychologische Probleme als echte Schmerzen diagnostiziert werden. Woran das liegt? Es wird angenommen, dass Frauen eher bereit sind, von Schmerzen zu berichten, auch wenn diese noch nicht so stark sind. Sie haben gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen, Männer hingegen weniger. 

Ehepaar am Kochen

Eigeninitiative lohnt sich!

Indem viele Schmerzpatient*innen nicht ernst genommen werden, vergeht oft wertvolle Zeit. Nämlich dann, wenn die Betroffenen keine angemessene Therapie erhalten, die Schmerzen chronisch werden und zusätzlich auf die Psyche schlagen. Wie kaum eine andere Erkrankung können Schmerzen die körperliche und seelische Lebensqualität beeinflussen und den Patient*innen jede Freude am Leben nehmen. Rund 48 Prozent der Allgemeinmediziner*innen wissen nicht was sie tun sollen, wenn eine Patient*in über einen längeren Zeitraum über Schmerzen klagt! Diese Zahl verdeutlicht: Schmerzpatient*innen müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Sie müssen Fachärzt*innen aufsuchen, sich eine Zweit- und Drittmeinung einholen und um eine adäquate Behandlung kämpfen. Und wie sollten sie sich verhalten, wenn sie sich von ihren Ärzt*innen nicht ernstgenommen fühlen? Fragen, Erklärungen verlangen, nachhaken und offen ansprechen, wenn man ein schlechtes Gefühl hat. Die zweite Grundregel: den Fall von anderen Ärzt*innen beurteilen lassen. Und last but not least: im Internet recherchieren, sich mit anderen Betroffenen austauschen, Tipps einholen und nicht verzweifeln.

Wie kaum eine andere Erkrankung können Schmerzen die körperliche und seelische Lebensqualität beeinflussen.

Schmerzzentrum ­– «endlich habe ich mich verstanden gefühlt!»

Denn, es gibt Hilfe! Jahrzehntelang war die eingangs erwähnte Kopfschmerzpatientin bei unzähligen Ärzt*innen, wurde mit oft erfolglosen Therapien behandelt und hatte die Hoffnung auf eine Besserung ihrer Schmerzattacken beinahe aufgegeben. Bis sie sich eigenhändig an ein Schmerzzentrum wandte und sich zum ersten Mal verstanden fühlte: «Endlich hatte ich das Gefühl, dass jemand versteht, wovon ich spreche und welche Therapie ich brauche. Es war wie eine Befreiung!»

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 15.06.2023